Wie Stress unser Immunsystem beeinflusst
Wir sind von Natur aus mit einem gut funktionierenden Verteidigungsmechanismus gegen Infektionen ausgestattet: unserem Immunsystem. Es schützt uns vor einem Großteil der alltäglichen Erreger, indem es sie umgehend bekämpft. Aber diese Verteidigungslinie kann lückenhaft werden – neben Medikamenten zur Behandlung einer Krebserkrankung oder nach Organtransplantationen können auch seelische Belastungen die Abwehrkräfte schwächen. Vor allem chronischer Stress steigert die Infektanfälligkeit.
Wie Stress das Immunsystem schwächt
Denn: „Dauerhafter Stress führt zu einem dauerhaft erhöhten Spiegel des Stresshormons Cortisol im Blut. Das Stresshormon dockt an Rezeptoren der weißen Blutkörperchen an. Diese schütten in der Folge weniger Botenstoffe aus, die zur Anregung des Immunsystems und zur Bildung von Antikörpern benötigt werden. In der Folge kann unser Immunsystem nicht so effektiv arbeiten“, erklärt Dr. Matthias Weniger, Geschäftsführer des Instituts für Stressmedizin Rhein Ruhr (ISM) und Experte der KNAPPSCHAFT. Dauerhafter Stress kann auch das Gegenteil bewirken. Also das Immunsystem nicht schwächen, sondern es zu stark anregen. Durch diese Überreaktion können bestehende Autoimmunerkrankungen und chronisch-entzündliche Erkrankungen sich verschlimmern.
Maßnahmen gegen Stress
Neben einer gesunden Ernährung und Lebensweise dienen auch Maßnahmen gegen Stress der Immunabwehr. „Häufig ist es nicht möglich, Belastungen einfach auszuschalten. Gegen eine stressige Arbeitsumgebung können wir nur bedingt etwas tun. Auch familiäre Probleme lassen sich nicht einfach ignorieren. Aber wir können uns durch verschiedene Maßnahmen Auszeiten schaffen. Ein Schlüssel für seelische Ausgeglichenheit ist Bewegung“, erklärt Dr. Matthias Weniger. Dadurch tanken unsere Zellen mehr Sauerstoff und Bewegung regt den Stoffwechsel an. Stresshormone werden auf diese Weise abgebaut und gleichzeitig produziert unser Körper Endorphine und Serotonin. So sorgt jede Art von regelmäßiger Bewegung dafür, dass wir ausgeglichener werden und den Kopf frei bekommen. Dabei ist die Sportart nicht entscheidend. Wichtig ist, sich regelmäßig Zeit dafür zu nehmen und diese auch bewusst zu genießen. Für manche Menschen kann es notwendig sein, längere oder intensivere körperliche Aktivitäten durchzuführen, um Stress abzubauen. Andere wiederum können bereits durch kurze und sanfte Übungen wie zehn Minuten Yoga einen spürbaren Effekt erzielen. Wenn bereits zehn Minuten am Tag für Bewegung schwer einzurichten sind, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass es strukturelle Barrieren oder Stressfaktoren gibt, welche die Fähigkeit beeinträchtigen, Zeit für körperliche Aktivität zu finden. In diesem Fall ist es wichtig, die zugrunde liegenden Faktoren zu identifizieren und Strategien zu entwickeln, um sie anzugehen und zu reduzieren.
Vielen Menschen hilft es zum Beispiel, sich für feste Stunden oder Kurse in einem Sportverein oder im Fitness-Studio anzumelden. Auch in den Alltag einen regelmäßigen Spaziergang einbauen, kann schon helfen. Natürlich nur dann, wenn wir diese Zeit nicht mit Telefonieren oder dem Checken von Nachrichten verbringen. Es geht im Gegenteil darum, abzuschalten und sich auf die Umgebung zu konzentrieren. Geräusche, Gerüche, Licht und Farben einmal ganz bewusst zu erleben. Auch Entspannungsübungen können helfen. Ob Yoga, Progressive Muskelentspannung oder Meditation - es gibt viele Techniken, die in Frage kommen.
Hilfe für „Sportmuffel“
Für "Sportmuffel", die Bewegung als zusätzlichen Stress empfinden, gibt es einige Tipps, um ihre körperliche Aktivität zu erhöhen, ohne dass sie sich überfordert fühlen. Wichtig ist, langsam zu starten und allmählich die Dauer und Intensität der körperlichen Aktivität steigern. „Überlegen Sie außerdem, welche Aktivitäten Ihnen Freude bereiten. Vielen hilft es, die körperliche Aktivität in den Alltag zu integrieren – wie zum Beispiel Spaziergänge in der Mittagspause oder Radfahren zur Arbeit. Eine andere Möglichkeit ist es, körperliche Aktivität mit sozialen Aktivitäten zu verbinden, wie zum Beispiel einem Spaziergang mit Freunden oder einem Tanzkurs mit Ihrem Partner“, erklärt Dr. Matthias Weniger. Zusätzlich sollte man sich bewusst machen, dass körperliche Aktivität dazu beitragen kann, Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu verbessern.
Positiver Stress kann übrigens im Gegensatz zu negativem Stress unser Immunsystem stärken. Beispiele für positiven Stress sind Ereignisse wie Urlaubsreisen, die erfolgreich absolvierte Prüfung. Ein Sportwettbewerb, auf den man sich lange vorbereitet hat und der nun unmittelbar bevorsteht. Auch bewusst die eigene Komfortzone verlassen, löst positiven Stress aus. In einem Theaterstück mitspielen oder mit einem Chor auf der Bühne stehen?